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Warum Web 2.0 ungleich Enterprise 2.0 ist

Ein Enterprise 2.0 entsteht durch die Anwendung wesentlicher Konzepte des Web 2.0 auf das Unternehmen. Dazu ist es wichtig, sich über die grundlegenden Wirkmechanismen aus beiden Anwendungs-Domänen Klarheit zu verschaffen.

Versucht man, an Hand der populären Internet-Plattformen (youtube, wikipedia, XING, etc.) die Kernkriterien einer Web 2.0 – Anwendung herauszustellen, gelangt man zu folgenden 7 Punkten:

  1. Der Hauptteil der Inhalte wird von den Nutzern generiert („user generated content“)
  2. Auf die Inhalte kann über einfach gestaltete und äußerst nutzerorientierte Such- und Filterfunktionen zugegriffen werden („search & filtering“)
  3. Die Inhalte können von den Nutzern bewertet werden („ranking“)
  4. Die Inhalte können von Nutzern selbst verschlagwortet werden („tagging“)
  5. Die Nutzeroberfläche ist personalisierbar und modular aus verschiedenen Web-Diensten aufgebaut, z.B. Einbindung von google maps. („joy of use“, „mashup“)
  6. Die Nutzer können miteinander Kontakt aufnehmen und gegenseitig Informationen und Dateien austauschen („collaboration“)
  7. Die Inhalte sind mit Geodaten verknüpft, so dass die Lokation der Nutzer oder der Inhalte angezeigt werden kann („localisation“).
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Abbildung 1: Die 7 Kriterien des Web 2.0

 

Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu ’normalen‘ Internet-Plattformen ist der nutzergenerierte Inhalt und die Interaktion der Nutzer um diesen herum (siehe auch Abbildung 1). Die technischen Werkzeuge zur Erstellung dieser Inhalte sind Wikis, Blogs oder auch Twitter. Ein Wiki ist per se also noch keine Web 2.0 – Anwendung. Erst der durch die Nutzer erstellte Content macht es dazu!

Wir haben mit Studenten der FH Brandenburg begonnen, die Wirkmechanismen der Inhaltserstellung und der Nutzerinteraktion zusammenzutragen. Dabei wurden die folgenden Dimensionen betrachtet:

  • Was motiviert Nutzer dazu, Inhalte zu erstellen?
  • Welche Rahmenbedingungen gelten für die Nutzung und die Interaktion?
  • Welche Werkzeuge kommen dabei zum Einsatz?
  • Welche Faktoren beeinflussen den Nutzer?

Interessante Erkenntnisse ergeben sich, indem man die Domänen ‚Internet‘ und ‚Enterprise‘ miteinander vergleicht (Siehe Abbildung 2).

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Abbildung 2: Wirkmechnismen im Vergleich

 

Die Hauptunterschiede werden sofort in den Dimensionen ‚Motivation‘ und ‚Rahmenbedingungen‘ sichtbar. Zieht der Nutzer im Internet einen großen Teil seiner Motivation aus dem persönlichen Interesse und der Lust an Neuem, so wird er im Unternehmen stark durch die berufliche Weiterentwicklung geprägt. Sein Fokus in der Nutzung liegt dabei auf der Organisation des Bestehenden um sein Arbeitsgebiet herum, weniger auf der Entdeckung neuer Inhalte.

Auch in den Rahmenbedingungen unterscheiden sich Web 2.0 und Enterprise 2.0 deutlich. Einer freien Verfügbarkeit ohne Mehrkosten stehen Zwänge durch die Unternehmensorganisation und die betrieblichen Regularien entgegen. Während bei Web 2.0 – Plattformen überwiegend Scheinidentitäten verwendet werden, und diese erst einmal wenig Rückschlüsse auf den realen Nutzer erlauben, können im Unternehmen alle Aktivitäten auf die Person zurückgeführt werden. Die Barrireren, Inhalte bereitzustellen, sind damit für das Enterprise 2.0 deutlich höher.

Jakob Nielsen hat die Bereitstellung in Blogs und Internet-Plattformen untersucht und dabei festgestellt, dass 90% der Inhalte nur von 1% der Nutzer bereitgestellt werden. 90% der Nutzer tragen überhaupt keine Inhalte bei, sondern sind reine Konsumenten.

Abbildung 3: Jakob Nielsen, 'The participation inequality'

Abbildung 3: Jakob Nielsen, 'The participation inequality'

 

Bezogen auf das Enterprise 2.0 kann dies dramatische Auswirkungen zeigen. Ein Unternehmen mit 50.000 Informationsarbeitern hat damit nur eine Masse von 500 Haupt-Inhaltserstellern! In Blogs ist die Quote sogar noch niedriger. Hier tragen nur max. 0,5% aller registrierten Nutzer Inhalte bei. Die kritische Masse für Netzwerkeffekte in Unternehmen kann daher deutlich unterschritten werden. Ohne organisatorische und kommunikative Begleitung ist aus unserer Sicht kein Enterprise 2.0 – Projekt denkbar.

Fazit:

  • Die Konzepte des Web 2.0 können nicht 1:1 auf das Unternehmen übertragen werden. Aus den oben vorgschlagenen 7 Kriterien müssen pro Unternehmen individuelle Initiativen abgeleitet weden.
  • Der Kern aller Web 2.0 – Plattformen, der nutzergenerierte Content, muss durch Vertrauen und ein Klima der Offenheit und Neugier gefördert werden.
  • Enterprise 2.0 ist in erster Linie kein Technologie-, sondern ein Organisations- und Kommunikations-Projekt.

Enterprise 2.0 ist dennoch ein Kernbaustein der nächsten Jahre, da die junge Mitarbeitergeneration ein völlig neues Verhalten bei der Nutzung von Medien und Kommunikationsmitteln einfordern wird. Dazu mehr demnächst in unserem Blog!

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